Lieblinge

Montag, 1. Dezember 2014

März und der Phönix Teil 2

Ich räusperte mich. "Also fassen wir zusammen: Die Agentur plant die Anschläge und sie führen sie aus. Alleine." Phönix, die sich mittlerweile in ihrem Sitz räkelte und die letzte Stunde fast ununterbrochen geredet hat, wirkte irgendwie tiefenentspannt. "Ziemlich simpel, aber ja, so ungefähr."
Ich legte meine Finger zu einem Dach zusammen und nickte langsam. Meine Gedanken schweiften ab - Phönix war also nur die Spitze des Eisberges. Es war erschreckend wie wenig wir über das Geschehene wussten und auf wie vielen Fehlannahmen unsere Vermutungen fußten. "Jetzt aber mal ehrlich. Was interessiert dich das eigentlich?" Ich schreckte hoch und blickte sie verdattert an. "Ähm, wie bitte?" "Ich hab dich gefragt, was dich das interessiert - wenn du kein Bulle bist, mein ich." Sie hatte mich geduzt, das verwunderte mich eher. "Ich...ich will nur verstehen." Ich wählte meine Worte mit Bedacht. "Ich will verstehen, was hinter dem Ganzen steckt. Die Bewegründe, die Pläne, de facto, was das Ganze eigentlich soll." Sie schaute mich kurz an und ich versuchte es mit einem gestelzten Lächeln. Plötzlich brach sie in Lachen aus. "Göttlich! Sowas hab ich ja noch nie erlebt!" Ihre Ausgelassenheit irritierte mich zunehmend. Sie wirkte kein bisschen ängstlich oder eingeschüchtert, dabei gab es einige Gründe dafür. Sie wusste nicht, wo wir waren, sie wusste nicht, wie sie hier hergekommen war und sie konnte nur vermuten, ob ich der einzige der Gruppe war, der nicht bewaffnet und damit ungefährlich war. Und dennoch wirkte sie entspannt und vollkommen ruhig, ja fast fröhlich. Ihre Augen waren nicht mehr hart und kalt, sondern leuchteten bisweilen. Ihre Körpersprache verriet keine gespielte, viel mehr eine echte Sicherheit.
Aber vielleicht war sie sich einfach nur sicher, dass sie auch dieses Treffen überleben würde, dass es weitergehen würde - oder war sie eine der Menschen, denen das eigene Leben wenig wert war, die fast schon fatalistisch an Kausalität oder Zufall glaubten, ob deren Allmacht sich jedes menschliches Schicksal auf ein paar Worte zusammenfassen ließ?
"Ist noch jemand zuhause?" Sie riss mich wieder aus meinen Gedanken, was war nur mit mir los?! "Verzeihung, ich bin zu Zeiten etwas abwesend." "Merkt man." Sie zog die Augenbrauen zusammen. "Was passiert jetzt eigentlich?" Das war eine wirklich gute Frage und sie legte so die größte Schwachstelle meines Plans offen. Eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass wir soweit kommen würden, deshalb war das weitere Vorgehen eher eine Liveentscheidung. Sie trommelte mit den Fingern auf den Tisch. "Nun, ich denke, das unser kleiner Ausflug nicht ganz unbemerkt bleiben wird - zumindest nicht bei behördlicher Stelle. Was war ihr Ziel, also, ähm, ihr Auftrag, bevor wir sie erwischt haben?" In ihrem Gesicht erschien ein merkwürdiger Ausdruck, war das der Anflug eines Lächelns? "Jetzt mal Moment. Stopp! Ihr habt mich entführt, mich festgehalten - " Ich fiel ihr rasch ins Wort. "Nein, das haben wir nicht. Es stand ihnen frei zu gehen." Sie schloss die Augen und lächelte nun wirklich - breit und ausgelassen. "Von mir aus, ihr habt mich nicht festgehalten - Na, jedenfalls habt ihr mich hergebracht und ich weiß ja nicht, ob deine kleinen Freunde mir nicht eine Kugel in den Hinterkopf pflanzen, nachdem ich dich niedergeschlagen hab und abhauen will." Sie zwinkerte mir zu und beugte sich etwas vor. Ich erhaschte einen Seitenblick in ihren üppigen Ausschnitt, doch außer Tattoos, die sich im Schatten ihrer Brüste verloren, konnte er nichts erkennen. Zum Ersten mal sah ich in den Gebilden Struktur, folgte den Linien zu ihren Schultern, über ihre schlanke Clavicula hin zum Ansatz des Collums. Das war ein Phönix, aber er war nicht feurigrot, er war schwarz. Die Haut wurde entmenschlicht, wurde selbst noch zur Projektionsfläche, wurde Sinnbild, Metapher, Schnittstelle. "Huhu, meine Augen sind hier oben." Sie feixte und warf sich wieder nach hinten in den Stuhl. Ich errötete kaum merklich. "Verzeihen sie." Aber mir tat daran nichts leid. Es war nicht so, als ob ich einer Frau in den Ausschnitt geglotzt hätte; das war Phönix. "Dir tut gar nichts leid, kleiner Mann."

Mittwoch, 16. Juli 2014

Nationalismus

Jetzt sind "Wir" wohl Weltmeister. Man hat es kommen sehen und doch alle Finger gekreuzt, dass es nicht dazu kommen wird. Das ohne Arroganz gesagt, ganz ohne Selbstüberschätzung, aber spätestens nach 7:1 verstand die Nation: Jetzt könnte es tatsächlich dazu kommen. Und dann kam es dazu - was macht man dann als Deutscher. Sich natürlich erst einmal rechtfertigen müssen. Etwas andere macht der Deutsche kaum. Darin ist er geübt, dass ihm alles leid tut und er seine Verantwortung natürlich in ihrer ganzen Pracht begreift, nämlich als Auftrag, ohne Auftrag - als Pflicht ohne Zwang - als sozusagen rein psychotische Neurose. Adler rotiert im Grabe, der Schuldkomplex gedeiht. Weil es eben so viel einfacher ist, sich schuldig zu fühlen - und etwas anderes passiert auch nicht, sonst würde es gar keine Nationalismusdebatte in Deutschland geben, wenn jemand eine Fahne schwenkt - als wirklich hinter die Schuld blicken zu wollen. Das deutsche Unterbewusstsein hat die Schuld schon so in sich hineingezogen, dass es den Grund dieser vollkommen ignoriert. Der Grund sind zwei Weltkriege und der Holocaust. Das muss klar sein. Es ist nicht der Nationalismus, der dem Deutschen Angst macht. Sonst müssten sich die Deutschen ja auch vor dem wiedererstarkenden Faschismus in Frankreich fürchten - tun sie aber nicht. Wieso auch, Frankreich zu kritisieren, würde die Schuld nur weiter befeuern. Denn das bedeutet Demokratie in der BRD - Schuld ausleben. Sonst würde man nicht von Merkel regiert werden. Der Frau glaubt man, dass es ihr aufrichtig leid tut, was sie tut, allerdings - auch sie unterliegt Sachzwängen - und muss eben tun, was ihr die Lobby präsentiert, aber das ist ja nicht ihre Schuld. Hier nämlich das interessante am Sachverhalt: Im Umkehrschluss haben nämlich die anderen Schuld. Und sind wie immer die Hölle. Denn man gönnt den Deutschen, "uns" wirklich nichts mehr. Nicht mal den verdienten Weltmeistertitel. Was können wir dafür, dass die Brasilianer gespielt haben wie der 2. FC Paderborn? Nichts! Gar nichts! Darf man sich den nicht zu seiner Nation bekennen? Darf man das nicht einfach feiern?! Was glauben sie denn, wie es in Argentinien gekracht hätte, wenn man sich den Pokal geholt hätte? Man hätte Messi für den neuen Messiahs erklärt und eine Woche Argentinien als Weltmacht gesehen, als totale Dominante. Und wir Deutschen? Wir hätten zu geschaut und uns dann doch ein bisschen für sie gefreut - und hätten Ihnen (den Argentiniern) ihr Nationalgefühl gelassen - es ist doch nur Fußball, u.s.w.
Und dort enthüllt sich der deutsche Gedanke wirklich: Eigentlich will man nur ganz normal sein. Eine ganz normale Nation, die keine 90 Millionen Leben auf dem Gewissen hat. Man will sich einfach auch keine Sorgen über die Vergangenheit machen, will doch einfach wie jedes andere Land seine Mannschaft anfeuern wollen, ohne das sich linke Intellektuelle kopfschüttelnd abwenden und alles schon wieder in Frage gestellt wird. Eigentlich mag der Deutsche nur ein wenig Gemütlichkeit, es soll einfach auch mal genug sein, nicht immer alles hinterfragen zu müssen, sich auch einfach mal gut fühlen, den Platz an der Sonne genießen. Klingelt's? Es müsste schon der letzte Idiot begriffen haben, dass die Schönheit des Faschismus im Nationalismus liegt, in der Identität, die er stiftet. Das gute "Wir" gegen das Böse "Die". Und es könnte so einfach sein, für alle - "lieber eine gute Diktatur als so eine Demokratie." Starke Männer, die auch mal auf den Tisch hauen, unabhägig, charismatisch und jung. Aber es geht nicht ohne dieses Element, dieses Wir, Wir, Wir. Zur Legitimation aller Vernichtung - nach innen gerichtet ("Reinigung") und nach außen (Angriffskrieg).
Aber man macht es dem Deutschen nicht so leicht. Zum Glück. Denn vielleicht könnte es wirklich so weit sein, dass es nicht nur einer begreift: Das Alles ist absoluter Wahnsinn.

Weltreise

Hier wurd ich also angespült,
zwischen den Zeiten, zwischen Zeilen.
Bin durch ein schwarzes Meer geschwommen,
darf hier an diesem Strand verweilen.

Ich habe Lumpen an und sonst
ist nur ein helles Lachen mein Gewand.
Es blieb nicht viel von dieser Reise
und nicht sehr viel vom Wahnsinn und Verstand.

Dienstag, 15. Juli 2014

Mutter Nacht

Oh Mutter Nacht sing deine Lieder,
senke dein Dunkel über mich,
gib mir meine schwingen wieder.
Ich will nicht leben ohne dich.

Gedanken und Gedankensprünge
wandeln wie die Schatten durch dein Reich,
und wem es in den Ohren klünge,
hat deinen Lockruf wohl erreicht.

Und deine Musen schenkst du mir

und deine lieben Töchter auch.
Ich danke dir und bet zu dir,
wenn ich in ihre Tiefen tauch.

Der Scheitel und die Maske sitzt;
der Gottesdienst in voller Pracht;
und unterm Schal ein Lächeln blitzt.
Reich mir die Hände Mutter Nacht.

Dienstag, 17. Juni 2014

Das Schwarz

Vor meinem Auge brennt die Welt
und stürzt in tiefe Schatten.
Alles, wie gemalt, vergeht in einem Augenschlag.
Es verbennt in schwarzem Feuer.

Verschlingend und gigantisch drückt
das Schwarz der Welt die Augen zu.
Kein wahrer Anblick, ich kann es nur spüren.
Schleichende Blindheit. Schreiende Wut.

Bauten fallen ein, gemacht aus purem Licht.
Das Nichts verschlingt die Farben.
Und Reflexionen jagen über den Rand,
wie silberne Pferde springen sie davon.

Sie entkommen - für einen Moment.
Im nächsten Augenblick: auch sie verschlungen.
Nur noch ein kleiner Silberstreif
erscheint am Horizont.

Auch nicht für lange, er verglimmt
in einem Herzschlag.
So blicke ich in Dunkelheit,
sehe das Nichts und kann es nicht beschreiben.

Verstehen

Ist es nicht seltsam, wie man lebt?
Wie alles gut zur Sonne strebt?
Und Licht und Luft die Bruste hebt?
Das Auge sieht, das Herz in Krafte schlägt?


Das alles sieht so einfach aus!
Es ist einfach bei Licht besehen.
Man muss es nicht einmal hinterfragen,
man muss es mit dem Herz verstehen.